Filmkritik – Captain America 4: Brave New World – Solide MCU-Unterhaltung, die ihr enormes Potenzial ungenutzt lässt

Filmkritik – Captain America 4: Brave New World – Solide MCU-Unterhaltung, die ihr enormes Potenzial ungenutzt lässt

Das Marvel Cinematic Universe befindet sich an einem entscheidenden Scheideweg. Nach über einem Jahrzehnt an herausragenden Filmen, sorgfältigem World-Building und ikonischen Charakterentwicklungen steht das Franchise heute vor der schwierigen Aufgabe, an frühere Erfolge anzuknüpfen und gleichzeitig neue Akzente zu setzen. Mit Captain America 4: Brave New World sollte genau das gelingen – ein Film, der Sam Wilson als neuen Captain America etabliert, gleichzeitig aber auch eine Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft des MCU schlägt. Doch während der Abspann lief, wurde mir bewusst, dass dieser Film zwar gute Ansätze bietet, aber an vielen Stellen unter seiner eigenen Ambition zusammenbricht. Es ist ein Werk, das zwischen solider Unterhaltung und verpasstem Potenzial schwankt, nie ganz enttäuscht, aber auch selten wirklich begeistert – ein Spiegelbild des aktuellen Zustands des MCU.

Ein vielschichtiger Plot, der unter seiner eigenen Last zusammenbricht

Die Ausgangslage von Brave New World hätte nicht spannender sein können: Thunderbolt Ross, verkörpert von der Hollywood-Legende Harrison Ford, übernimmt das höchste Amt im Staat und wird zum Präsidenten der Vereinigten Staaten. Bereits hier deutet sich ein erzählerischer Weg an, der den Film zu einem der spannendsten politischen Dramen des MCU hätte machen können. Die Fragen, die sich sofort aufdrängen – Wie wird ein Präsident mit den Superhelden umgehen? Wird er sie kontrollieren wollen? Oder gar instrumentalisieren? – versprechen ein vielschichtiges Narrativ, das über bloße Action hinausgeht und in die Abgründe politischer Machtspiele eintaucht. Doch genau an dieser Stelle beginnt der Film zu schwächeln, denn anstatt diesen faszinierenden Handlungsstrang konsequent zu verfolgen, verzettelt sich die Geschichte in zu vielen Nebenhandlungen, die den roten Faden mehr und mehr verwässern.

Besonders der Umgang mit Isaiah Bradley, einer Figur, die in The Falcon and the Winter Soldier für einige der bewegendsten und bedeutungsvollsten Momente sorgte, hinterlässt einen faden Beigeschmack. Bradley wird hier als mutmaßlicher Attentäter auf den Präsidenten eingeführt, was zunächst für Spannung sorgt, aber schnell in eine vorhersehbare Verschwörungsgeschichte abdriftet. Was als Chance begonnen hatte, komplexe Themen wie staatliche Gewalt und die Bürde des Heldentums erneut ins Zentrum zu rücken, wird letztlich auf ein plumpes „Wer steckt wirklich dahinter?“ reduziert, ohne die emotionale Tiefe zu erreichen, die diese Themen verdient hätten. Es ist enttäuschend zu sehen, wie ein Charakter mit so viel erzählerischem Potenzial zu einem bloßen Plot-Device degradiert wird, dessen Schicksal den Zuschauer kaum berührt, weil der Film nie genug Zeit investiert, um seine Geschichte glaubwürdig zu erzählen.

Einen weiteren Dämpfer erleidet der Film durch die Einführung von Red Hulk, einer Figur, die im Vorfeld mit viel Spannung erwartet wurde. Dass Harrison Ford, ein Schauspieler, der für seine charismatischen und vielschichtigen Darstellungen bekannt ist, diese Transformation durchläuft, hätte ein cineastischer Höhepunkt werden können. Doch leider fühlt sich die Umsetzung dieser Wendung mehr wie eine nachträgliche Ergänzung an, die hauptsächlich dafür gedacht ist, den Fans einen bekannten Comic-Charakter zu liefern. Das CGI, das den Red Hulk zum Leben erwecken sollte, wirkt unfertig und teilweise sogar störend – ein visueller Makel, der den gesamten Moment entwertet und den Zuschauer mehr irritiert als begeistert.

Action, die solide ist, aber nie an frühere MCU-Höhepunkte heranreicht

Die Actionsequenzen in den bisherigen Captain-America-Filmen galten stets als Maßstab für das gesamte MCU. Ob die packenden Nahkämpfe in The Winter Soldier, die brutalen Auseinandersetzungen in Civil War oder die strategischen Schlachten in Avengers: Endgame – Captain America stand immer für handgemachte Action, die den Zuschauer mit ihrer Intensität und Präzision fesselte. In Brave New World jedoch bleibt genau dieser Aspekt erstaunlich blass.

Bereits die Eröffnungssequenz, die traditionell den Ton für den gesamten Film setzen sollte, wirkt überraschend uninspiriert. Die Kampfchoreografien, die einst durch ihre Schnelligkeit, Dynamik und durchdachte Struktur bestachen, wirken hier mechanisch und einstudiert. Man spürt fast in jeder Szene, dass die Darsteller einem vordefinierten Ablauf folgen, anstatt einen organischen, mitreißenden Kampf zu liefern. Besonders auffällig ist das Fehlen eines spürbaren „Impacts“ – in früheren Filmen konnte man förmlich fühlen, wenn ein Schlag landete oder ein Tritt den Gegner traf, unterstützt durch ein präzises Sounddesign, das jede Bewegung verstärkte. Hier hingegen bleibt vieles oberflächlich: Schläge wirken leicht, Bewegungen zögerlich, und das gesamte Kampfgeschehen verliert dadurch an Glaubwürdigkeit.

Noch problematischer ist der Einsatz von CGI, der in vielen Actionszenen überstrapaziert wird. Besonders in den Momenten, in denen Red Hulk ins Geschehen eingreift, wird deutlich, dass die visuellen Effekte nicht den gewohnten MCU-Standard erreichen. Das digitale Abbild wirkt künstlich, fast schon wie ein unfertiger Prototyp, der den Zuschauer mehr aus der Immersion reißt, als ihn in die Szene zu ziehen. Was hätte ein Höhepunkt des Films sein können, wird so zu einem visuellen Dämpfer, der dem ohnehin schon wackeligen Narrativ zusätzlichen Schaden zufügt.

Trotz dieser Schwächen gibt es vereinzelte Lichtblicke: allen voran die Szene auf Celestial Island, in der Sam Wilson und sein Sidekick Joaquin Torres als Team überzeugen. Beide liefern sich in der Luft ein intensives Gefecht mit feindlichen Flugzeugen, während sie geschickt zwischen den gewaltigen Strukturen des im Meer ragenden Celestial manövrieren. Wilson nutzt seinen Schild dabei nicht nur als Waffe, sondern als zuverlässigen Schutz, während er präzise Flugmanöver ausführt und den feindlichen Beschuss abwehrt. Torres unterstützt ihn mit beeindruckender Wendigkeit und taktischem Geschick – eine dynamische Zusammenarbeit, die inmitten der Explosionen und spannungsgeladenen Action für einen der stärksten Momente des Films sorgt.

Charaktere, die Potenzial zeigen, aber oft unterentwickelt bleiben

Sam Wilson: Ein Captain America mit Herz, aber ohne klare Richtung

Anthony Mackie bringt zweifellos die richtige Mischung aus Charisma, Sympathie und Entschlossenheit mit, die einen überzeugenden Captain America ausmachen. Seine Darstellung in Brave New World ist durchweg solide, und es gibt Momente, in denen Mackie auch mal glänzt – etwa wenn Sam mit der Last des Schildes und den Erwartungen, die an ihn gestellt werden, ringt. Doch genau hier liegt das Problem: Diese Momente bleiben rar.

Während Steve Rogers in seinen Filmen eine klare Charakterentwicklung durchlief – vom idealistischen jungen Soldaten über den skeptischen Systemkritiker bis hin zum selbstlosen Anführer –, bleibt Sam Wilsons Entwicklung in Brave New World überraschend flach. Seine inneren Konflikte, die eigentlich das emotionale Zentrum des Films bilden könnten, werden nur angedeutet und nie wirklich ausgearbeitet. Der Film stellt zwar die Frage, wie es ist, ein Held ohne Superserum zu sein, aber er beantwortet sie nie zufriedenstellend. Ebenso bleibt offen, wie Sam Wilson seinen Platz in einer Welt finden soll, die immer noch stark vom Vermächtnis Steve Rogers’ geprägt ist.

Besonders frustrierend ist, dass Sam Wilson in vielen Szenen fast wie ein Zuschauer seiner eigenen Geschichte wirkt. Anstatt ihn als aktiven Protagonisten zu positionieren, der die Handlung vorantreibt, lässt das Drehbuch ihn oft passiv bleiben – eine Entscheidung, die seinem Charakter nicht gerecht wird und den Zuschauer emotional auf Distanz hält. Es fehlt der eine große Moment, in dem Wilson seine Rolle vollständig annimmt und uns als Publikum mit auf seine Reise nimmt.

Harrison Ford: Ein Lichtblick mit zu wenig Raum

Harrison Ford ist ohne Frage eine Bereicherung für jeden Film, und auch in Brave New World bringt er eine Gravitas mit, die seinem Charakter sofort Glaubwürdigkeit verleiht. Als Thunderbolt Ross strahlt er eine Mischung aus Autorität, Zynismus und Charme aus, die ihn zu einer faszinierenden Figur macht. Besonders in den politischen Szenen, in denen er als Präsident zwischen Pflicht und Macht jongliert, zeigt Ford, warum er zu den größten Schauspielern seiner Generation zählt.

Doch auch hier bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Ford hätte mit einem besser geschriebenen Charakter eine der erinnerungswürdigsten Figuren des MCU schaffen können. Doch der Film gibt ihm nicht genug Raum, um Ross wirklich zu entwickeln, und reduziert ihn letztlich auf ein Mittel zum Zweck – insbesondere durch seine Transformation zu Red Hulk, die mehr wie ein notwendiger Plotpunkt als ein organischer Teil seiner Charakterentwicklung wirkt. Es ist enttäuschend, dass ein Schauspieler dieses Kalibers nicht die Plattform erhält, die er verdient.

Nebencharaktere: Ein Flickenteppich aus Licht und Schatten

Die Nebenfiguren in Brave New World sind ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite stehen Darsteller wie Carl Lumbly als Isaiah Bradley, der in den wenigen Szenen, die er bekommt, eine beeindruckende emotionale Tiefe zeigt. Seine Figur erinnert uns daran, wie viel Potenzial im MCU steckt, wenn es sich traut, komplexe Themen wie Identität und Trauma zu behandeln. Doch genau dieses Potenzial bleibt in Brave New World weitgehend ungenutzt, da Bradley nie den narrativen Raum erhält, den er verdient.

Auf der anderen Seite stehen Charaktere wie Sams neuer Sidekick, der leider wenig mehr als ein Comic-Relief ist. Seine Versuche, humorvolle Akzente zu setzen, wirken oft deplatziert und erzwungen, und es fehlt ihm an der Tiefe und Authentizität, die frühere MCU-Sidekicks auszeichneten. Auch die neu eingeführte Agentin, die offensichtlich als eine Art Black-Widow-Ersatz fungieren soll, bleibt farblos und uninteressant.

Besonders enttäuschend ist der Umgang mit Giancarlo Esposito, einem Schauspieler, der für seine nuancierten und intensiven Darstellungen bekannt ist. In Brave New World wird er jedoch auf eine eindimensionale Schurkenrolle reduziert, die weder seinen Fähigkeiten gerecht wird noch dem Film wirklich dient. Sein Antagonist wirkt generisch, seine Motive bleiben unklar, und seine Szenen hinterlassen kaum Eindruck – ein klares Beispiel dafür, wie Talent durch schlechtes Writing verschwendet werden kann.

Technische Umsetzung: Solide Basis, aber wenig kreative Höhepunkte

Technisch bietet Brave New World eine solide Grundlage, aber es fehlt an Innovation und Kreativität. Die Bildsprache ist funktional, aber uninspiriert – viele Szenen setzen auf statische Nahaufnahmen und einfache Einstellungen, die den Film mehr wie eine hochbudgetierte TV-Produktion wirken lassen als wie einen echten Kinoblockbuster. Besonders in den ruhigeren Momenten hätte man sich mehr visuelle Kreativität gewünscht, um die emotionale Tiefe der Charaktere zu unterstreichen.

Auch der Schnitt trägt dazu bei, dass viele Szenen an Wirkung verlieren. Besonders in den Actionszenen wirkt der Schnitt oft hektisch und fragmentiert, was es dem Zuschauer erschwert, dem Geschehen zu folgen und die Spannung wirklich zu genießen. In einem Film, der stark von seiner Action lebt, ist das ein deutlicher Schwachpunkt, der den Gesamteindruck erheblich schmälert.

Das Sounddesign, ein weiterer wichtiger Bestandteil erfolgreicher MCU-Filme, bleibt hier ebenfalls hinter den Erwartungen zurück. Weder die musikalische Untermalung noch die Soundeffekte der Kämpfe bleiben im Gedächtnis – ein enttäuschender Mangel, besonders wenn man bedenkt, wie sehr ein packender Score und prägnante Sounds Marvel-Filme in der Vergangenheit geprägt haben.

Fazit: Ein solider MCU-Beitrag, der hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt

Am Ende hinterlässt Captain America 4: Brave New World bei mir gemischte Gefühle. Es ist kein schlechter Film – dafür gibt es schon einige gelungene Momente, einige gute Ansätze und solide schauspielerische Leistungen. Doch es ist auch kein Film, der das MCU nachhaltig verändern oder einen bleibenden Eindruck hinterlassen wird.

Anthony Mackie liefert als Sam Wilson eine solide Leistung ab, doch sowohl das unentschlossene Drehbuch als auch die immense Herausforderung, in die großen Fußstapfen von Chris Evans Captain America zu treten, bremsen ihn merklich aus. Harrison Ford bringt Glanz in seine Rolle, bekommt aber nicht den nötigen Raum, um wirklich zu glänzen. Die Action ist solide, aber nie herausragend, und die technische Umsetzung bleibt hinter den hohen Standards, die Marvel einst setzte, zurück.

Für mich ist Captain America 4: Brave New World am Ende ein solider 6/10-Film: unterhaltsam genug, um einen Kinoabend zu rechtfertigen, aber weit entfernt von den MCU-Highlights, die Fans so lieben.

Bildnachweise:
Die Rechte an den hier verwendeten Bildern liegen bei den jeweiligen Filmstudios und Verleihern. Die Verwendung erfolgt ausschließlich zu illustrativen Zwecken im Rahmen der Berichterstattung.

Captain America 4: Brave New World (2025) – Studio: Marvel Studios | Verleiher: Walt Disney Studios Motion Pictures

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